Kommunikationsstörungen als Auslöser für Aggressionen

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  • 2. November 2010

Im Hinblick auf die tägliche Arbeit mit an frühkindlichem Autismus beeinträchtigten Menschen und deren Auffälligkeiten im Aggressionsbereich werden als mögliche Ursache häufig Probleme im kommunikativen Bereich als eines der wesentlichen Merkmale deutlich. Ausgehend von einer kurzen Darstellung der Aggressionsformen sowie einer kurzen Beschreibung des Beeinträchtigungsbildes Autismus werden in einem zweiten Schritt Maßnahmen erläutert mit dem Ziel, aggressionsfördernde Faktoren besser eindämmen zu können.

Unter aggressiven Verhaltensweisen werden hier solche verstanden, die sich selbst, das Gegenüber sowie Sachen aktiv schädigen oder schwächen.

Die typischsten Erscheinungsformen lassen sich in körperliche, sprachliche sowie mimisch-gestische und auto- sowie sachaggressive Verhaltensweisen beschreiben.

Zu den Aggressionsformen körperlicher Auseinandersetzung gehören u. a.:

  • kratzen, beißen, treten, an den Haaren ziehen
  • kneifen
  • schlagen und schubsen

Zu den mimisch – gestischen, sprachlichen Aggressionsformen gehören u. a.:

  • böse Blicke, Drohgebärden
  • sprachliche Drohungen

Zu den autoaggressiven Formen gehören u. a.:

  • sich selbst beißen, schlagen
  • den Kopf gegen die Wand oder auf den Boden schlagen
  • sich selbst gegen den Kopf schlagen
  • sich selbst in den Haaren ziehen oder diese ausreißen

Zu den sachaggressiven Formen gehören u.a.:

  • Geschirr zerschlagen
  • gegen Möbel oder Mobiliar treten, Bekleidung zerreißen

Die grundlegenden Prozesse in der Arbeit mit Spannungen im Aggressionsbereich wahrnehmungsbeeinträchtigter Menschen lassen sich an folgenden Merkmalen darstellen:

Wahrnehmen: Was sieht und übersieht, was hört und überhört ein Bewohner (Autist) in der zwischenmenschlichen Auseinandersetzung?

Wir unterschätzen in der alltäglichen Arbeit immer wieder die ganzheitlichen Ausdrucksweisen und sorgen so für Missverständnisse in der Kommunikation. Hinzu kommen die Probleme in der Wahrnehmungsverarbeitung, da Autisten zumeist über keine Steuerungsmöglichkeiten verfügen Reize  und Informationen entsprechend zu filtern. So entstehen in diesem Zusammenhang Unsicherheiten und Ängste dessen Folge nicht selten Aggressionen sind.

Wahrhaftigkeit und Verlässlichkeit sind also wichtige Eigenschaften im Umgang mit Autisten. Abweichungen von der „Norm“ sind immer kurz aber deutlich zu erläutern.

So sollte in der direkten Kommunikation mit einem Autisten auf klare und deutliche Ausdrucksformen geachtet werden. Überflüssiges sollte nicht ausgesprochen werden. Autisten haben oft Schwierigkeiten ein Zeitverständnis zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen. Außerdem sollte die Anrede immer persönlich sein, d.h. mit Namen, auch wenn keine andere Person im Raum ist, da sonst für den Autisten nicht deutlich wird, mit wem die Bezugsperson überhaupt spricht.

Interpretieren und verstehen: Wie fasst ein Bewohner (Autist) das Wahrgenommene auf? Auch die Bewertung eines Sachverhaltes kann hier angesiedelt werden. Welche Begrifflichkeiten werden verwandt? Sind die Begrifflichkeiten für den Menschen mit Autismus und den Betreuer authentisch? Welche Erwartungen hat ein Betreuer und gibt es ein Machtgefälle zwischen Sender und Empfänger?

Autisten sind mitunter schon in der Lage Stimmungen von Bezugspersonen wahrzunehmen. Es ist also nicht nur wichtig, wie die Mitteilung artikuliert wird, sondern auch welche Untertöne und Stimmungen mitschwingen. Meint die Bezugsperson es ernst? Bekomme ich die nötige Aufmerksamkeit? Ist die Bezugsperson verärgert?

Autisten reagieren sensibel auf Stimmungen, sind aber grundsätzlich nicht in der Lage sich in das Gegenüber hinein zu versetzen. Es fehlen ihnen die Mechanismen zu verstehen und zu deuten, warum das Gegenüber vielleicht traurig, verärgert oder fröhlich ist.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die häufigste Ursache für Spannungen und Aggressionen bei Menschen mit Autismus in der Kommunikation zwischenmenschlicher Beziehungen und in der unterschiedlichen Wahrnehmung der handelnden Personen liegt. Um eine Störung und Spannung im kommunikativen Bereich einzudämmen sind individuelle Handlungskonzepte nötig, die in Teilschritte gegliedert sind.

So kann eine Überforderung der Menschen mit Autismus vermieden werden. Zudem müssen spannungserhöhende Faktoren vermieden werden sowie spannungssinkende Faktoren als ein möglicher Baustein in das Tagesgeschehen einfließen.

Zunächst geht es darum Motive für Aggressionen zu mindern oder zu schwächen. Geschehen soll dies im Rahmen von individuellen Handlungskonzepten.

Strukturpläne, die verlässlich sind, Betreuer die kongruent sowie Rahmenbedingungen die verlässlich sind, gelten als Ausgangsbasis.

Potentiell aggressionsanregende Faktoren werden bei klarer Struktur gemindert und geben den Bewohnern (Autisten) Sicherheit und Verlässlichkeit und sorgen somit für entspannte Situationen.

Eine genaue Strukturierung in der Arbeitsvorbereitung gibt den Bewohnern die nötige Stabilität im Alltagsgeschehen. Auffälligkeiten, die zum Störungsbild gehören, z.B.  stereotypes Verhalten können in eine sinnorientierte Tätigkeit umgelenkt werden. So kann das Abfragen gewohnter Rituale im Hinblick auf spannungssinkende Faktoren als sicherheitsfördernde Maßnahme verstanden werden. Auch gewohnte Arbeitsabläufe, wie z.B. ritualisierte Arbeitsgänge, denen man im Alltag Rechnung trägt, sind spannungssinkend.

Frank Heitmann

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